
"Der Name?", fragte mich der Schiffshändler und riss mich aus meinen Gedanken.
"Solstice!" antwortete ich. "S.O.L.S..."
Der Händler unterbrach mich fast schon fauchend: "Ich weiß, wie man das schreibt."
Gut. Auch wenn Drake die letzten Jahre bemüht versucht, sein Image aufzupolieren, ist es immer noch Drake. Da kann man auch von den Schiffshändlern keinen Luxus erwarten.
"Gut. Sie haben Glück, wir haben noch ein paar von denen im Raumhafen vorgelagert. Ich gebe Bescheid und lasse es abflugbereit machen. In etwa einer Stunde können Sie Ihr neues Schiff dann auch schon entgegennehmen."
Ich bedankte mich bei dem Mann, unterzeichnete den Vertrag und überwies die Credits, die ich durch den Verkauf meiner Purr Memory erhielt.
Okay, so viel habe ich für dieses experimentelle Design jetzt auch nicht erhalten, aber ich hatte ja noch genug auf der hohen Kante. Es hat ausgereicht und ich habe noch fast 100.000 Credits über.
Ich vertrieb mir die Wartezeit damit, mein Zimmer im Green Circle zu räumen, meine Klamotten zu packen und mich Richtung Raumhafen zu bewegen.
Dort aß ich noch ein Burgermenü bei Whammers und packte mir zwei Flaschen Wasser ein und ein paar von den Riegeln. Man weiß ja nie.
Endlich bestätigte mir mein Mobyglas, dass die Solstice nun bereit in einem Hangar auf mich wartet. Ich machte mich auf den Weg, um das neueste Drake Design, die Clipper, zu begutachten. Ich hatte sie schon auf der Messe gesehen, nicht wirklich hübsch, aber definitiv nützlicher als mein letzter Kahn. Probeliegen, das Medbed einrichten, die Systeme kalibrieren, und schon war eine ganze Weile vergangen.
Ich erhielt eine Nachricht, dass meine Credits nicht mehr reichen, um die Liegegebühren zu zahlen.
Ich erschrak. Wo waren meine Credits hin? Ich habe fast 80.000 Credits bezahlt? Wofür? Für einen Messeliegeplatz? Das war eine Frechheit ohnegleichen. "Wucher!", schrie ich dem Typen entgegen, der mir noch einen schönen Tag wünschte und die Hangartore öffnete.
Ändern kann man es nicht. Ich startete die Solstice und versuchte erst einmal Abstand von diesen Raffgeiern zu bekommen.
"Einen kleinen Transportauftrag... Ja. Die werden gerade eine Menge Material bewegen müssen", sinnierte ich vor mich hin. Ich suchte also nach einem kleinen Frachtauftrag. Platz für 12 Frachteinheiten hatte ich.
Ich fand einen Auftrag: 6 SCU Wolfram von Cru-L1 nach Cru-L4. Die Liegekosten für Verladen, Abladen und Nachbereitung würden erlassen. Gut, auch wenn man als Anlieger eh nicht viel zahlen müsste, nahm ich den Auftrag an. Credits sind Credits.
Mit einem kurzen Sprung von Crusader zum Lagrangepunkt 1 des Gasriesen erreichte ich die dort treibende Ambitious Dream Station. Die Solstice schnurrte wie ein Kätzchen... oder gurgelte wie ein Fässchen? Irgendwas dazwischen.
Ich bekam einen Liegeplatz zugeteilt und schickte mich an zu landen. Die Ausmaße des Schiffes waren aber noch etwas fremd für mich und ich schrabbte mit dem Fahrwerk über den Boden.
Außer einem grässlichen Kratzen ist aber nichts passiert.
Ich löschte die kleine Ladung und erhielt meine Credits nach Abgabe der Ware. Zumindest war ich jetzt nicht mehr blank, aber viel für den Betrieb hatte ich auch nicht. Also schaute ich mir noch einmal das Schwarze Brett an, vielleicht ließ sich noch eine Lieferung finden.
Leider kein Glück. Zu liefern gab es genug, aber der Zugang zum Laderaum war nicht auf größere Warenmengen ausgelegt, zumindest nicht auf die größeren Container. Die kleinsten Aufträge, die ich fand, setzten mindestens einen 4 SCU Container voraus. Damit konnte ich dann leider doch nicht dienen.
Ich sortierte die Aufträge nach Erlös. Erst kamen nur selbstmörderische Ausräumaktionen von übernommenen Sicherheitseinrichtungen oder Missionen zum Zerschlagen aufkeimender radikaler Gruppen.
Ich fragte mich, ob die Securitys Lack gesoffen haben, solche Aufträge in die Hand von Zivilisten und Privatmilizen zu legen. Aber klar. Warum eigenes Personal riskieren, wenn Credits weniger Wert für die Megakonzerne haben.
Ein ganzes Stück weiter unten in den Jobausschreibungen sah ich dann einen Beschaffungsauftrag für Rayari INC. Es hieß, der Job sei sicher. Kein Risiko, aber dennoch eine gute Bezahlung.
Ich dachte noch: Na komm, wo ist der Haken?
Noch bevor ich mir ernsthaft Gedanken über den Job machen konnte, nahm ich ihn reflexartig an und erhielt die Auftragsbedingungen und Jobdetails.
Sollten Sie den Job nachträglich aufkündigen, erhalten Sie die gängigen Vertragsstrafen von Reputationsverlust und der Lohn wird einbehalten.
Mein Auftrag war es, 5 Brocken Ranta-Kot zu organisieren.
Ranta-Kot? "Ich bekomme so viele Credits für Scheiße?" dachte ich laut.
Ich jubelte fast schon, begann die Verkaufsliste nach dem Zeug zu durchsuchen und stellte ernüchtert fest, dass Rayari wohl kein Amateurverein ist.
Ich fragte im Spektrum nach und erhielt den Hinweis, ich solle mir mal anschauen, woher Ranta-Kot kommt.
Die Galactapedia geöffnet und nach Mist gesucht, fand ich den Eintrag auch recht schnell:
"Ein trockener, würfelförmiger Kot stammt von einem großen, asselartigen Krebstier namens Ranta. Kürzlich wurde entdeckt, dass dieser Kot ein einzigartiges Bakterienmikrobiom enthält, das der Ranta bei der Verarbeitung und Verdauung von Mineralien hilft. Einige Forscher hoffen, dass dies zu industriellen oder medizinischen Innovationen führen wird."
"Mineralien?", fragte ich mich und schloss darauf, dass die Viecher irgendwo an mineralreichen Orten zu finden sind. Alte Minen vielleicht?
Ich durchsuchte die Datenbank, die ich von der Foundation mitnahm, bevor wir das Schiff dem All überließen. Die Datenbank war eine wahre Goldgrube.
Daymar war mein Ziel. Etwa 50 Kilometer von einer Einrichtung namens NT-999 sollte sich eine ertragreiche Mineralhöhle befinden.
Es war schwer, bei der anbrechenden Nacht überhaupt etwas zu finden. Vor allem, da ich nicht exakt navigieren konnte. Es stellte sich heraus, dass NT-999 eine dieser übernommenen Sicherheitseinrichtungen ist und Besucher offenbar nicht erwünscht sind. Ohne Vorwarnung schossen die Flugabwehrtürme auf mich ein. Nur die hohe Entfernung und meine Geschwindigkeit schützten mich vor dem Stakkato an Laserenergie, das nach meinen Schilden leckten.
Leicht nervös suchte ich die ungefähren Koordinaten ab, konnte aber nichts finden. Selbst als meine Konterkoordinaten ganz exakt waren, fand ich nur eine leichte Vertiefung. Ich konnte darunter einen Hohlraum erscannen, jedoch hätte es bedeutet zu graben. Dafür war ich bei weitem nicht ausgerüstet.
"Erstmal weg hier", murmelte ich und steuerte in Richtung Sterne.
Meine Gedanken kreisten. Gebe ich die Mission auf, verscherze ich es mir mit einem möglichen Arbeitgeber.
Also beschloss ich, die Datenbank weiter zu durchforsten. Und Treffer. Ein vor kurzem bestätigter PoI deckte sich mit einem Log über eine mineralreiche natürliche Höhle auf Euterpe.
Ein weiter Sprung, aber die Solstice dürfte damit kein Problem haben.
Während des Quantumsprungs überkam mich der Hunger. Ich schaute nach, was ich dabei hatte. Es war wirklich nicht viel.
Reisen sollte man vorbereitet angehen, dachte ich. Ich stolpere hier mehr unbeholfen als koordiniert durchs Stantonsystem.
Aber ohne Credits hätte ich mir die Vorbereitung auch nicht leisten können.
Cyril, mein Buchhalter bei der ZNSK und Bereichsleiter für Logistik und Mining, bot mir vorher noch an, mir einige Credits aus der Orga-Kasse vorzustrecken. Ich lehnte ab.
Trottel. Ich muss lernen, mich auf die Leute zu verlassen, die sich unserem Projekt anschließen.
Der Boardcomputer machte mich darauf aufmerksam, dass wir uns dem Ziel näherten, also begab ich mich wieder ins Cockpit.
Als ich in die tiefere Atmosphäre des Mondes eintrat, begann das ganze Schiff zu ächzen. Starke Winde rissen an dem für seine Angriffsfläche eher leichten Schiff. Die Triebwerke arbeiteten auf Vollast, um dem entgegenzuwirken. Das Navigieren war diesmal einfacher, da ich von einem Handelsposten aus triangulieren konnte.
Und ich fand sie. Eine felsige Höhle mitten im Nirgendwo. Von ihr ging ein bläuliches Schimmern aus.
Ich landete die Solstice einige Meter daneben, um die Höhle nicht versehentlich zum Einsturz zu bringen.
Ich zog meinen Helm auf, fuhr mit dem Fahrstuhl zur Oberfläche und wurde sofort von der beißenden Kälte getroffen. Mein leichter Raumanzug war für dieses Klima definitiv nicht ausgelegt. Mehr als eine halbe Stunde halte ich hier nicht aus.
Am Höhlenrand angekommen sah ich, woher das Glimmen kam. Einige Pilzkörper lumineszierten in einem sanften Blau.
Ich kletterte hinab und stellte erstaunt fest, dass die Temperatur mit jedem Meter stieg. Von fast minus 90 Grad auf plus 9 Grad.
Beruhigt begann ich zu suchen. Ich kletterte, kroch durch enge Passagen und überwand tiefe Abgründe. Begleitet wurde ich von dem beruhigenden bläulichen Schimmer. Langsam nahm ich die Umgebung besser wahr, hörte das Klingen von Kristallen, das Pfeifen entfernter Winde. Ich wurde ruhiger und öffnete meinen Fokus.
Da fiel es mir auf. Die Höhle bestand aus einer Ansammlung von Kristallen. Als ich die Taschenlampe einschaltete, ergab sich ein Regenbogen aus Violett, Blau, Grün und sogar vereinzelt Gelb.
Ich hielt inne, wollte den Anblick genießen, doch meine Sauerstoffanzeige erinnerte mich daran weiterzusuchen.
Doch nichts. Keine Spuren eines Rantas oder dessen Hinterlassenschaften. Immerhin habe ich die Höhle kartografiert. Vielleicht kann Cyril etwas damit anfangen.
Erschöpft erreichte ich den Ausgang und sah die Solstice einige Meter entfernt.
Ich warf mich in den Pilotensitz und schleuderte den Helm in die Ecke.
"War es das?", fragte ich mich. Ich war entnervt.
Aber aufgeben? Nein. Das wäre unprofessionell.
Ich atmete tief durch. Ich musste den Kopf öffnen, nicht verkrampfen.
Ich las mir alles über Rantas noch einmal durch und fand schließlich etwas in der Datenbank der Foundation. Trevor, mein Bruder, hatte einmal Ranta-Kot in einer Sandsteinhöhle auf Magda gefunden.
Magda. Hurston.
Ich bereitete die Triebwerke vor. Als ich abhob, riss eine Böe an der Solstice. Einige Systeme meldeten Fehler in der Stabilisation.
"Verdammt. Ich habe nicht einmal Reparaturmaterial dabei."
Aber ändern konnte ich es gerade nicht. Ich schloss für einen Moment die Augen, gönnte mir einen kurzen Powernap. Der Flug war nicht allzu lang.
Die Höhle auf Magda war leicht zu finden. Ein schmaler Spalt im Boden führte in einem 45 Grad Winkel nach unten. Die Temperaturen waren hier angenehm und zum ersten Mal beschloss ich, alles bewusst auf mich wirken zu lassen.
Ich wurde nicht enttäuscht. Licht fiel durch kleine Spalten in die Höhle und schuf eine warme, fast heilige Atmosphäre. Der Wind erzeugte dumpfe, gesangartige Laute, wie ein ritueller Chor.
Ich begann zu verstehen, was es heißt zu wandern.
Den Weg mit offenen Augen, Ohren und Geist zu gehen. Nicht nur zu funktionieren, sondern anzukommen.
Ich bewegte mich langsam, fast meditativ durch die Höhle. Und dann sah ich sie. Eine trockene Anhäufung weiß beschichteter Klumpen.
"Nicht zu fassen", dachte ich. Das war es.
Ich holte eine luftdichte Kiste hervor, sammelte die Brocken ein, versiegelte alles und machte mich auf den Rückweg.
Auch jetzt ließ ich die Höhle noch auf mich wirken und nahm die Ruhe mit.
Draußen schien Stanton angenehm durch das Helmsvisor.
In der Solstice bestätigte ich den Lieferzeitpunkt und machte mich auf den Weg nach Calliope. Der Flug war ruhig. Auch der Anflug durch die dunstige Hülle war unproblematisch.
Am Außenposten übergab ich die Ware und fragte, ob es einen Reparaturservice gibt.
Leider nicht, aber man bot mir eine Wiedergutmachung an.
Ich solle mich in New Babbage einfinden. Dort würde mein Schiff repariert und ich bekäme eine Auszeit im Aspire Grand. Der Vertreter von Rayari betonte, dass er meine Arbeit zu schätzen wisse. Ein umfangreiches Auftragskompendium wurde mir freigeschaltet.
Es zahlte sich also doch aus, durchzuhalten.
Ich begab mich zum NB Spaceport auf Microtech und erhielt schon im Anflug eine Landeerlaubnis.
Auf meine vorsichtige Frage nach den Kosten erhielt ich die Antwort: "Die Liegegebühren sowie die Reparaturkosten werden von Ihrem Arbeitgeber übernommen."
Ich bedankte mich und landete.
Müde schleppte ich mich ins Aspire Grand. Beim Einchecken wurde mir bestätigt, dass mein Arbeitgeber ein Zimmer für mich reserviert hatte.
Ich bedankte mich auch hier und begab mich in mein Zimmer, um etwas Schlaf zu bekommen. Microtech kann ich mir auch morgen noch anschauen.