
Logbuch Alaska_Seadeleare / SET 010.09.2955 - 16:50 / Starlight - Service - Station / Pyro
Starlight - Service - Station in Pyro.
Wer hätte das gedacht? Hätte ich jemals gedacht, dass ich den Vornamen der Barkeeperin dieser zwielichtigen Bar kennenlernen würde? In letzter Zeit hat es mich immer wieder hierher verschlagen. Zu oft hat mich die Enge meiner Kabine hinausgetrieben, zu oft endete mein Weg an dieser Theke, an der Raven – oder wie sie sich nannte – merkwürdigerweise immer dann Dienst hatte, wenn ich meinen Streifzug über die Station beendete.
Sicherlich war ich nicht die einzige verlorene Seele, die sie hier jemals bedient hat. In den letzten Wochen sind bestimmt fünf neue Gestalten hinzugekommen – eine davon ich. Der Schmerz in meinem Kopf dröhnte unerträglich. Vielleicht fände ich noch eine von diesen kleinen Chemie-Bomben in meiner Tasche, um den Schmerz zu betäuben.
Heute ist die Beerdigung. Eine Beerdigung in Pyro. Eine Beerdigung von einem Menschen, von dem ich glaube, er hätte ein guter Freund werden können...
Stanton. Die SCIUN. Ich könnte aus der Haut fahren, wenn ich an diesen selbstzufriedenen Prof. Hyperion denke. Alles schien plötzlich so weit weg, wie aus einer anderen Zeit. Meine Gegenwart war jetzt hier, auf Gaslight. Unter diesen Gestalten, die die Station ihr Zuhause nannten.
Manchmal fragte ich mich, ob Pike auch so angefangen hat – allein in einem fremden Sonnensystem, gestrandet auf einer Station, die sich anfühlte wie das Ende der Welt. Mein Magen zog sich zusammen, mir wurde schlecht, der Kopf hämmerte.
"Hermie ist tot. War es das wert?", mein glasiger Blick fiel auf Ravens hübsches Gesicht,
"Schuldgefühle. Wir alle haben sie doch."
Raven tippte auf ihr Mobiglas und ließ ein altes Musikvideo abspielen.
„Hör dir das an, Alaska. Das Lied... es hilft manchmal.“
"Heute nur ein Schmolz Raven! Ich habe heute noch etwas zu erledigen."
"Bitte!" Sie lächelte gequält, öffnete die Flasche und stellte sie vor mich hin.
„Das ist die letzte für heute. Geh zu deinen Leuten, beende das Kapitel deines Freundes. Du musst... wir alle hier müssen weitermachen.“
Benommen nahm ich zwei, drei Schlucke, stellte die halb leere Flasche auf die Theke und erhob mich. Es musste sein.
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Starlight Hangar
Im Hangar von Starlight trafen wir uns, um Hermies Leichnam in der *Ruhrschimmer* aufzubahren. Brubacker und Friedrich kannten ihn seit Ewigkeiten, wenn man Bru´s Geschichten Glauben schenken darf. Die Stimmung war schwer, bedrückend. Pike hatte wieder eine Fahne, bei ihm blieb es nie beim Schmolz. Und doch konnte ich es ihm nicht verdenken – auch ich wollte mich nur noch betäuben.
Funeral
Die *Ruhrschimmer*, gefolgt von Friedrichs geliehener 600i, stieg in den Orbit von Pyro. Maschinen aus. Eine gespenstische Stille legte sich über den kathedralenartigen Laderaum der Asgard. Ursprünglich wollte ich Hermie dort aufbahren – doch wir entschieden uns für das kleine Mannschaftsquartier.
Wir standen in der engen Tür, blickten auf Hermie, wie er da lag, mit geschlossenen Augen, friedlich. Mir schnürte es die Kehle zu. Friedrich rang nach Worten, aber seine Stimme versagte. Brubacker schwankte zwischen Anekdoten und den Schatten ihres letzten Streits. Ich brachte kaum ein tonloses „Farewell, Hermie“ über die Lippen. Dann – Schweigen. Schwer und lang.
Schließlich verschloss ich die Tür zu Hermies Quartier. Wir wechselten auf die 600i und versammelten uns auf der Brücke. Friedrich zählte: „Eins... zwei... drei.“
Die Systeme der *Ruhrschimmer* erwachten ein letztes Mal, schoben das Schiff an und lenkten es gen Sonne. Majestätisch glitt es in den gleißenden Ball Pyros.
Wir starrten schweigend in das Licht. Nur die Filter der 600i schützten unsere Augen – und vielleicht auch unsere Tränen. Langsam verschwand das letzte Radarecho. Irgendeine Protuberanz musste die *Ruhrschimmer* erfasst haben, hat sie tief in die flammende Hölle gezogen.
Ein würdiger Abschied. Hermie in seinem Schiff, wie ein Pharao in seiner Grabkammer. Pike murmelte etwas von Wikingern, die es ähnlich hielten.
Ich werd die ersten Akkorde dieses sehr alten, herzzerreißend, traurigen Liedes nicht los. Raven hatte es mir vorgespielt und es fraß sich augenblicklich in meine Gehirnwindungen:
"Your funeral, my trial
Here I am, little lamb, let all the bells in whoredom ring
All the arrogant bitches that he was
Mongers of pain saw the moon become a fang
Your funeral, my trial, your funeral, my trial
...dieses Lied tat mir gut.
„Farewell, Hermioth“, flüsterte ich. „Ich werde noch oft an dich denken.“
Auf ein Neues
Brubacker war es, der uns schließlich aus unserer Trance riss.
„Genug.“ Seine Stimme war fest. „Wir müssen nach vorn schauen. Wir haben eine Aufgabe. Wir müssen herausfinden, wer hinter der ASD steckt – wer wirklich Schuld an Hermies Tod trägt.“
Seine Worte schnitten wie ein Messer, aber er hatte recht. Wir fassten den Plan, einen Beobachtungsposten auf Pyro I zu errichten, direkt vor der ASD-Station. Wir brauchten Informationen – und das reichlich.
Doch wir waren naiv. Wir wurden schnell entdeckt. Keine wild gewordenen Fußsoldaten diesmal, sondern Großkampfschiffe: eine Polaris, eine Idris, dazu Jäger. Ein Hagel aus Feuer. Mit kollabierenden Schilden und letzter Kraft brachten wir die 600i zurück in den Orbit. Wie geprügelte Hunde flohen wir Richtung Starlight-Station
Eine Polaris. Eine Idris. Um Gottes Willen – was bewachen die dort?
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Zurück in der Bar. Zurück bei Raven.
„Na, Raven. Schon wieder wir.“ Ich ließ mich auf eine Bank fallen. „Mach mir noch einen Schmolz. Die anderen wollen sicher härteres.“
Mit finsteren Gesichtern saßen wir an einem Ecktisch, die vier Ritter von der traurigen Gestalt. Die Stimmung – bedrückt, brodelnd. Besonders bei Brubacker. Wir alle wussten: Wir hatten uns übernommen. Hilfe musste her.
Friedrich brachte Zero ins Spiel, dessen Kontakte zu einer Söldnergruppe vielleicht nützlich sein könnten. Einer erwähnte die Slaps – eine zwielichtige Bande aus Pyro. Doch die Polaris und die Idris hatten gezeigt: Wir hatten es mit einer organisierten Militärmacht zu tun.
„Die Slaps?“ Brubacker schnaubte. „Ein unorganisierter Haufen, fähig zu Schandtaten – ja. Aber nicht, um gegen so etwas anzutreten.“
Da sprach Friedrich einen anderen Namen aus:
„Tyr.“
Es klingelte bei mir. Zwiebus hatte mir vor Tagen einen Funkspruch geschickt. Seine neue Arbeitgeberin arbeitete mit dieser Gruppe. Nicht feindlich, aber... seltsam. Zwiebus warnte mich: „Pass auf dich auf. Diese Militärtypen – sie sind mir nicht geheuer.“
Ein mulmiges Gefühl. Aber Brubacker und Friedrich waren überzeugt. Pike und ich kannten Tyr nicht. Am Ende entschieden wir uns dafür.
„Eine professionelle Gruppe“, meinte Friedrich. „Besser mit ihnen als ohne.“
Vielleicht hatte er recht. Ich nahm noch einen tiefen Schluck.
Wenn man Angst hat, weiß man, dass man lebt. Mit diesem Gedanken starrte ich in mein Glas – und trank mir den Rest des Abends schön....
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Ravens Lied:
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